In diesen grauen Tagen dürfte Kyra Hartan öfter ihr Smartphone in die Hand nehmen und strahlen. Denn auf dem Telefon sind viele Videos gespeichert, auf denen das größte Abenteuer zu sehen ist, das die 14-Jährige in ihrem Leben bisher erlebt hat.
Kyra Hartan startete im November in Thailand bei der Weltmeisterschaft im Wakeboarden und belegte in der Altersklasse U14 den zehnten Platz – ein schöner Erfolg beim ersten Auftritt auf der Weltbühne der Nachwuchs-Wakeboarder. Drei Wochen verbrachte sie in dem südasiatischen Land, Mama und Papa waren ebenfalls dabei. Zurückgekehrt ins kalte Deutschland ist Kyra Hartan mit unendlich vielen Eindrücken, die sie immer noch nicht ganz verarbeitet hat. Dazu gehört auch das Wettkampfgeschehen auf dem Wasser. „Ich habe dort Dinge gesehen, die ich nicht kannte und bei denen ich mich gefragt habe: Woher nehmen die das?“, erzählt sie und fügt hinzu: „Mir hat einfach ein bisschen die Erfahrung gefehlt und die Vorbereitung war auch nicht optimal, aber ich bin zufrieden mit dem zehnten Platz.“ Und das darf sie wohl auch: Wer kann schließlich von sich sagen, mit 14 bei einer Weltmeisterschaft gestartet zu sein?

Zum Wakeboarden – dabei wird der Sportler auf einem surfboard-ähnlichen Brett durchs Wasser gezogen und führt dabei Kunststücke über der Wasseroberfläche vor – kam Kyra Hartan durch ihren Vater. Falk Hartan packte sich irgendwann mal selbst ein Brett unter den Arm, weil ein Kumpel gemeint hatte, das müsse er mal probieren. Auf dem Reitbahnsee stand er dann auf diesem Brett und fand Gefallen an dem Sport. Dabei war an jenem Tag auch seine kleine Tochter. „Wir haben Kyra einfach aufs Brett gestellt und das funktionierte gleich“, erzählt er. Acht Jahre jung war Kyra damals.
Es folgten zwar auch schwierige Momente, in denen das junge Mädchen den Sport auch schon mal verfluchte – weil: „Wasser kann manchmal wie Beton sein.“ Aber sie gab nicht auf. „Es geht nicht immer gleich vorwärts, aber man muss dranbleiben und das hat Kyra gemacht“, sagt der Vater, der mit einem Schmunzeln erzählt, dass seine Frau gerade in den ersten Monaten oft nicht hinschauen konnte, wenn Kyra auf dem Brett über den See flitzte.
2019 bestritt Kyra Hartan schließlich ihren ersten Wakeboard-Wettkampf, gehörte wenig später zum deutschen Bundeskader. Dieses Jahr toppte dann alles. Erst wurde die junge Wakeboarderin Siebte bei der Europameisterschaft in Dänemark, im Herbst folgte die WM in Thailand. „Die EM war schon auf einem hohen Niveau, aber die WM war noch einmal ein komplett anderes“, sagt sie.
Die Familie hat sich vor allem darüber gefreut, dass das Sportgymnasium mitgespielt hat, die die Schülerin drei Wochen nach Thailand habe reisen lassen. „Das ist nicht selbstverständlich, zumal Wakeboarden keine olympische Sportart ist. Aber die Schule war da sehr unkompliziert“, sagt der Vater. Allerdings – während der WM in Thailand musste Kyra auch schulische Aufgaben erledigen. Kyra Hartan möchte jetzt auf jeden Fall mehr, sie träumt von großen Wettkämpfen, vom Podiumsplatz bei einer WM. Und sie schwärmt von ihrem Sport: „Der Zusammenhalt untereinander ist sehr groß. Wir sind zwar alle Einzelsportler, aber trotzdem ein Team, das zusammenhält.“

Das nächste Jahr wird aber ein extrem schwieriges, sagt Falk Hartan: Kyra startet dann gleich in der U18 und wird dort das Küken sein. „Sie wird erst einmal Erfahrungen sammeln“, sagt der Vater.
Nicht ganz so einfach ist es auch mit den Bedingungen in Mecklenburg-Vorpommern. Zwar kann Kyra Hartan auf der Anlage des Wakeboard- und Wasserski-Clubs (WWC) Reitbahnsee in Neubrandenburg regelmäßig trainieren, zu Wettkämpfen müssen die Hartans aber oft weite Reisen auf sich nehmen. Schleswig-Holstein oder Hamburg sind dabei noch die kürzesten Touren.
Und dann ist da noch eine Entscheidung, die die Sportgymnasiastin irgendwann einmal treffen muss. Vielleicht aber auch schon bald. Judo oder Wakeboarden? Matte oder Wasser? Denn Kyra Hartan ist auch eine passable Judokämpferin, seit frühster Kindheit Mitglied beim Asia-Sport-Verein in Neubrandenburg – und dabei auch erfolgreich. Viele Pokale und Urkunden in ihrem Zimmer sind Zeugen erfolgreicher Wettkämpfe. Kyra Hartan ist unter anderem mehrfache Judo-Landesmeisterin Mecklenburg-Vorpommerns.

Doch der Stresspegel ist hoch. In den wärmeren Monaten trainiert sie bis zu viermal in der Woche auf der Judomatte, anschließend geht es auf den Reitbahnsee. An den Wochenenden sind dann die Wettkämpfe. Hinzu kommt die Schule. „Noch bekommt Kyra das alles hin, weil sie es unbedingt möchte. Aber irgendwann muss sie sich natürlich entscheiden“, sagt Falk Hartan. Es scheint, Kyra Hartan weiß längst, wohin ihre sportliche Reise führen wird. Wakeboarden, sagt sie, sei einfach ein cooler Sport.

Quelle: Nordkurier (Thomas Krause)